Voiturette – 1931 bis 1939/1947

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Otfried

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Voiturette – so alt wie der Motorsport selbst.
http://www.mysmilies.no-ip.com/mysmilies/OLA.gif http://www.mysmilies.no-ip.com/mysmilies/OLA.gif

Hier möchte ich beginnen, einen etwas andere Fahrzeuggattung kurz zu beschreiben.
Schon beim ersten Automobilrennen der Welt – 1895 Paris - Bordeaux - war eine Fahrzeuggattung am Start, welche "kleiner" {Hubraum} als die herkömmlichen Fahrzeuge war.
In französischer Sprache nannte man diese Modelle Voiturette {= kleine Wagen}.

Zeitsprung: - http://www.mysmilies.no-ip.com/mysmilies/ghost_2.gif – nach der Weltwirtschaftkrise war der Automobilsport aus finanziellen Gründen der teilnehmenden Firmen und Privatpersonen völlig unreglementiert, es war die Zeit der "Freien Formel".
Neben den "Grand Prix Wagen" jener Zeit wurden jedoch Rennen für Fahrzeuge ausgeschrieben, welche eine Hubraumbegrenzung bei 1500 cm³ hatten, die sogenannte Voiturette Kategorie.
Zu jener Zeit waren diese Fahrzeuge besonders beliebt und wurden z.B. in England "Boyracers" genannt, da sie bei jugendlichen sportlichen Fahrern sehr beliebt waren.
Die "klassischen" Marken waren Bugatti, Riley und MG, mit Kotflügeln und Lampen waren diese Fahrzeuge straßentauglich, da sie zweisitzige Karosserien aufwiesen.

Zeitsprung: - [b ]1934[/b] die 750 kg Formel wird ins Leben gerufen. Schon schnell zeigt sich, das gegen die Silberpfeile von Mercedes und Auto Union keine andere Marke bestehen kann {vereinzelte Erfolge des für die Scuderia Ferrari fahrenden Tazio Nuvolari waren die Ausnahme}.

Voiturette
Im Rahmenprogramm der Grand Prix Rennen der 750 kg Formel wurden auch Rennen für die Voiturette Kategorie ausgeschrieben, welche sich extremer Beliebtheit wegen der großen Starterfelder und den verschiednen Teilnehmern erfreute. Wie bei den Grand Prix Wagen gab es hier ganze Teams, welche nur in dieser Kategorie starteten. Die "Boyracers" hingegen wurden durch klassische Monoposti Wagen ersetzt. Aus dem legendären "weißen Riley" entwickelte sich die Marke "ERA", es dominierten jedoch die Voiturette Wagen von Maserati, daneben waren noch viele Marken am Start – sehr bekannt: Talbot-Darrque, Delage, MG, Riley.

Ab 1937 wurden die Starterfelder der Grand Prix Wagen so gering, das sie bei manchen Rennveranstaltungen mit Voiturette aufgefüllt wurden. Auf Stadtkursen und sehr verwinkelten Rennstrecken waren die Topmodelle {Maserati 6 CM} sogar in der Lage, die 750 kg Grand Prix Wagen der Auto Union zu schlagen. Mit Begin der 3 Liter Kompressorformel fand diese Fahrfahrensweise noch öfters statt.

1938 – die Voiturette Klasse verliert ihre "Unschuld"
Giochino Columbo war einer der begnadetsten Motorkonstrukteure überhaupt. Was – wie – wo geht in den "Geschichtsbüchern" auseinander. Von den Motornummern und aus dem Buch "Piloti, che gente..." ergibt sich folgendes:

Im Herbst 1937 erhält Giochino Columbo, beschäftigt in Modena bei der Scuderia Ferrari, welche die Alfa Romeo Grand Prix Wagen baut, den Auftrag, einen "unschlagbaren" Motor für die 3 Liter Kompressorformel zu bauen. Es entsteht der "Sedicicilindri" – ein Fahrzeug mit einem 3 Liter U 16 Kompressormotor {Tipo 16 C – 316}. Enzo Ferrari erkennt die Möglichkeit, aus einem Zylinderblock dieses Motors einen 1.5 Liter Kompressor Reihenachtzylinder für die Voiturette-Klasse zu bauen. In einem Chassis, kleiner als das der Grand Prix Wagen, entstand ein Fahrzeug welches optisch dem Grand Prix Modell Tipo 8 C – 308 glich – es wurde deswegen "kleiner Alfa" genannt =Alfetta.

Zeitgleich verkauften die sich in permanenten finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Maserati Brüder ihre Firma an den Konzern des Grafen Orsi, blieben aber als Konstrukteure in der Firma. Mit den nun gut fließenden finanziellen Mitteln entstand der "4 Cilindi Linguette".

Gedankensprung:
Schon beim Avus Rennen 1937 wurden vor dem Feld der Formula Libre Boliden ein Voiturette Rennen ausgetragen. 1938 fuhren die Voiturettes vor jedem der bedeutenden Grand Prix Veranstaltungen ihre Rennen, bzw. fuhren diese mit den Grand Prix Wagen gemeinsam.
Gerüchte besagten, das ab 1941 die AIACR die 3 Liter Kompressor/4 ½ Liter Saugmotorformel durch eine 1 ½ Liter Kompressor/ 4 ½ Liter Saugmotorformel ersetzten würden.

Besonders in Italien - politisch wie Deutschland ausgerichtet - sollte es natürlich bei jedem Grand Prix einen italienischen Sieger geben. Jedoch zeigte sich schon 1938, das weder der 12 C - 312, der 8 C - 308 noch der im Entwicklungsstadium befindliche 16 C - 316 in der Lage waren, dem W 154 von Mercedes Paroli zu bieten.
Die Rennen der Grand Prix Wagen waren deswegen, besonders außerhalb Deutschland, von einer zunehmenden Langeweile begleitet, woraufhin einige Länder begannen – z.B. Frankreich und Belgien – viele Veranstaltungen für Sportwagen auszuschreiben, eine Kategorie, bei welcher die deutschen "Silberpfeile" nicht vertreten waren.

Andre Länder schrieben regionale Rennen aber nur für Voiturette Rennwagen aus, was besonders in Italien der Fall war. Das prestigeträchtigste Rennen jener Zeit war der "Gran Premio di Tripoli" auf der extrem schnellen Piste von Mallaha. Libyen war eine italienische Kolonie, die Veranstaltung jedes Jahr eine reine Propaganda für die Mussolini – Regierung, geprägt von der Frühlingshaften Umgebung Nordafrikas mit dem exotischen "Charm" der Paläste des Gouverneurs. Seit 1928 war der "Gran Premio" der Auftakt der Grand Prix Saison. Er gehörte zu den Pflichtläufen für die Europameisterschaft der 750 kg und 3 Liter Kompressorformel. Die italienische Regierung wollte nun im Jubiläumsjahr 1939 einen "italienischen" Sieger sehen. Am 11. September 1938 wurde verkündet, das der "Gran Premio di Tripoli" 1939 für Voiturette Rennwagen ausgeschrieben sein – {bereits 1935 war es ein "Formula Libre" Rennen, damit die Scuderia Ferrari ihre "Biomotre" an den Start bringen konnte}

W 165
Für Daimler Benz stellte sich nun das Problem, das die Firma kein Fahrzeug für diese Rennserie besaß. Gerüchte, das auch Mercedes einen Voiturette Rennwagen bauen würde, gab es schon 1934, aber es waren nur Gerüchte.

Noch im September tagte der Vorstand in Stuttgart und beschloß, einen Voiturette zu bauen. Ende November 1938 ging der Auftrag an die Rennabteilung um Rudolf Uhlenhaut, dem Konstrukteur des W 125 und W 154. Im Februar 1939 wurden die Konstruktionszeichnungen beendet und mit dem Bau von zwei Fahrzeugen begonnen, welche im April fertiggestellt und in Hockenheim kurzen Tests unterzogen wurden.
Anfang Mai trafen die Fahrzeuge in Libyen ein, wo sie sich sofort beim Training gegen die siegesgewohnten italienischen Voiturette qualifizieren konnten. –
Im Qualifying war noch ein stromlinenverkleideter Maserati schneller, am Renntag setzten sich die beiden W 165 sofort vom Rest des Feldes ab und fuhren einem ungefährdeten Doppelsieg entgegen. Rudolf Caracciola siegte vor Hermann Lang.

Es sollte der einzige Renneinsatz des W 165 sein. 2 Wochen später drehten die "Sieger von Tripoli" noch Schaurunden vor den Zuschauern des "Internationalen Eifelrennens für Grand Prix Wagen" auf dem Nürburgring,
anschließend unterzog Daimler Benz die beiden Fahrzeuge ausgiebigen Tests. Ein drittes Fahrzeug wurde in Auftrag gegeben. Der Kriegausbruch im September 1939 ließ die Entwicklung des W 165 zurückstellen.[/b]


Der W 165 sah aus wie ein kleiner Grand Prix Wagen des Typs W 154. Die Entwickler um Uhlenhaut waren konventionelle Wege gegangen und hatten den W 154 "verkleinert".
Eine Neuentwicklung stellte der Motor dar. Der M 165 "L" war der erste 90° V 8 mit Vierventiltechnik und 4 obenliegenden Nockenwellen von Daimler Benz. Wie beim "H" Motor hatte jede Zylinderbank ihren eigenen Roots-Kompressor, welcher über einen Saugvergaser das Gemisch in ein Sammelrohr blies {maximaler Ladedruck 1.4 bar}. In der Entwicklungsabteilung hatte man den Motor schon für die zukünftige 1 ½ Liter Grand Prix Formel, wie sie für 1941 vorgesehen war, konstruiert. Der Motor vertrug problemlos > 10.000 U/min und sollte mit Benzindirekteinspritzung und Zweistufenlader versehen werden.

In Tripoli lief er konventionell, als Drehzahllimit galt 8.000 U/min, die Leistung betrug 256 PS / 7.500 U/min.

Daimler Benz hat mit dem W 165/M 165 L jedoch gezeigt, das sie in der Lage sind, ein Rennfahrzeug in nur wenigen Monaten zu Bauen, welches den erfolgreichsten Wagen seiner Zeit problemlos überlegen war.

Tripoli war das einzige Rennen, bei welchem der "Alfetta" startete und von einem anderen Fahrzeug besiegt wurde. Bei allen anderen Starts 1940 und nach dem Krieg blieb der "Alfetta" der Sieger – bis im Juli 1951 im Regen von Silverstone eine andere Marke, jetzt in der Formel 1, ihren Siegeszug antrat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Frazer Nash

Hallo, um diesen gut geschriebenen Information ein wenig von der Theorie zu nehmen, möchte ich einen Voiturette Rennwagen aus dem Jahre 1935 zeigen, damit sich alle Leser ein Bild von solchen Rennfahrzeugen machen können.

http://mitglied.lycos.de/Lotus_20/FN_01.jpg
Frazer-Nash 1500 Gough

Bei dem Fahrzeug handelt es sich um einen Frazer-Nash. Diese Firma baute zwischen 1924 und 1957 Sportwagen und Renn-Fahrzeuge. Wie für die Kleinanbieter in England üblich, wurden die Motoren von anderen Firmen bezogen.

http://mitglied.lycos.de/Lotus_20/FN_03.jpg

In dem gezeigten Voiturette ist ein Gough – Reihenvierzylinder eingebaut, welcher von einem Cozette-Kompressor aufgeladen wird. Der Motor leistet 110 PS @ 5.250 U/min, damit erreicht der Rennwagen mit der typischen Frazer-Nash Chain Drive Kraftübertragung ca. 200 km/h.

Mit freundlichen Grüßen

Rebecca
 
Guckts Du hier:
http://www.youtube.com/watch?v=EGkAYGS6BkI

Auch Ferrari fing in dieser Motorenklasse an. Im Video ist zwar 'nur' ein Werks-Nachbau zu sehen, aber durchaus hörend zu ahnen, was die Fahrzeuge konnten. Der 125S war der erste Ferrari mit diesem Namen.
 
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Hallo JoachimKr,

der „125 S“ mit dem 1 ½ Liter Colombo V 12 SOHC war der „Sportmotor“.
Werke wie „Stoica della Scuderia Ferrari“ und „Piloti che genté“ führen die Idee eines robusten Motors für die theoretisch seit 1941 gültige Grand Prix Formel auf das Jahr 1944 zurück, wo Gioacchino Colombo den 1 ½ Liter V 12 entwicklte.
Die 1947 – 1949 gültige „Formel A“ entsprach der seit 1941 gültigen GP Formel, für „Grand Prix Rennen“ waren Fahrzeug mit 1 ½ Liter Kompressorfahrzeuge- und „Saug“motoren bis 4 ½ Liter zulässig.
Der „125 F1 (47/48)“ entsprach mit 230 PS {V 12 SOHC Einstufenkompressor/Gemisch} dem Idealbild, wurde jedoch ständig überarbeitet V 12 DOHC -> Zweistufenkompressor, bis die Idee mit den BiBo-Lambredimotoren sich durchsetzte.

http://mitglied.multimania.de/Cavallino/26062005-44.jpg
{Spa Racing Days 2004}

Der interessantetste und bekanntest Wagen dürfte dieser „Formula Libre“ sein, welcher einen 2 Liter V 12 DOHC mit Zweistufenkompressor verbaut hat.



Der m.W. einzige fahrfähige 1 1/5 Liter tauscht nur sehr selten noch auf – 1985 in Milano/1987 Imola und zuletzt 1992 in Donington


Siehe: http://www.db-forum.de/forum/daimler-benz-geschichte-oldtimer/4947-formel-1947-1949-a.html
 
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