George,
sicherlich hast du recht, daß der Qualitätseindruck eine sehr subjektive Sache ist.
Nun erlaube mir eine kurze Erklärung, wie ich überhaupt zu der ausgeprägten Kritik über den Qualitätseindruck - u.a. bei der E-Klasse - komme.
Im Frühjahr '99 haben wir uns einen VW Passat TDI Highline gekauft. Im Vorfeld der Bestellung 1998 hat es in der Presse einige Kritik gegeben, die darauf hindeutete, daß der bisher in den Himmel gelobte Passat qualitativ nicht das hält, was er verspricht. Die Rede war von Klappereien und Zuverlässigkeitsproblemen.
Wir nahmen die Presseberichte nicht ernst, gaben unsere Bestellung auf und erhielten denn im April '99 ein optisch wunderschön verarbeitetes, agil zu fahrendes und drehmomentstarkes Auto - die Begeisterung war riesig.
So in Euphorie versetzt vom neuen VW, kaufte sich meine Schwester einen New Beetle 2.0 und ich mir kurze Zeit später einen traumhaften Golf 1,9TDI. Während der Beetle lange Zeit keine Probleme machte (mal abgesehen vom 0,75l-Ölverbrauch/100km) begann mit dem Golf sofort der Ärger: Klappergeräusche, streikendes Getriebe, hoher Öl- und Dieselverbrauch und andere Defekte. Volkswagen wollte das Auto trotz der Beanstandungen aber nicht zurücknehmen, und das Service-Personal war nicht in der Lage die Fehler zu beseitigen.
Später machte auch der Beetle mit Karosserieproblemen, Lackschäden, Getriebedefekten, Lambdasondenausfall und weiteren Verarbeitungsmerkmalen auf sich aufmerksam. In diesem Zusammenhang wuchs der Frust über den mangelhafte Qualität und unbarmherzigen Service bei VW weiter.
Entsetzt über die Vorkommnisse suchte ich mir jede mögliche Information über die Zufriedenheit von VW Kunden (bei Consumer Reports, ADAC, in Veröffentlichungen von AutoBild und Auto Motor und Sport), wodurch sich zeigte, daß VW-Halter mit ihrer Unzufriedenheit von keiner anderen Kundengruppe überboten werden konnten.
Der "Mythos Volkswagen" gehört von nun an für mich der Vergangenheit an.
Der eingangs erwähnte Passat TDI-Highline mit den wunderschönen Leder-/Alcantara-Sitzen hatte bis dahin nie wirklich für Ärger gesorgt.
Trotzdem beschloß ich, mich bei zukünftigen Autos nicht von optisch exzellent anmutender Qualität beeindrucken zu lassen, was sich bei Passat Nr 2., Golf-IV und Beetle schließlich als fataler Fehler erwies.
Bei der Suche nach Antworten auf das VW-Desaster der vergangen Jahre waren die Botschaften der Presse über die oft zitierte Mercedes-Qualität kaum übersehbar, schon deshalb nicht, weil mein Vater damals bereits einen Mercedes E280 fuhr.
Mein Vater war mit diesem Auto auch nicht hundertprozentig glücklich,
weil es immer wieder zu Elektrikproblemen kam und der dunkelblaue Lack durch starken Verschleiß für Verdruß sorgte.
Im Frühjahr dieses Jahres rückte der Austausch des alten E280 näher.
Motiviert durch die vielen Qualitätspannen unserer bisherigen Fabrikate deutscher Herkunft wollten wir doppelt aufpassen, daß wir nicht noch einmal so ein Pannenmobil erwischen würden.
Mein Vater hatte sich in den Look der neuen E-Klasse verliebt.
Unter dem Gesichtspunkt der bisherigen Qualitätsdiskussion sprachen aber folgende Punkte gegen einen Mercedes:
1. deutsche Presse bringt laufend Berichte über Qualitätspannen bei Mercedes heraus
2. Consumer's Union nennt CLK, M-Klasse und S-Klasse "nicht empfehlenswert" wegen dem eindeutig schlechten Ausgang von Kundenumfragen
3. Die 2001er S-Klasse meines Patenonkels nervte mit Klappergeräuschen und bliebt etwa 20mal wegen verschiedenster Pannen liegen, bis sich Mercedes dafür entschied das Fahrzeug unentgeltlich auszutauschen.
4. Der CLK430 eines Nachbarn steht ebenfalls ständig mit defekten in der Werkstatt und stört durch Klappergeräusche.
5. Der '99er S600L eines weiteren Nachbarn sorgt wegen Zuverlässigkeitsproblemen für Ärger, nähere Details sind hier aber nicht bekannt
=> die Beobachtungen der Consumers Union sind für meine Familie und unseren Bekanntenkreis stehts nachvollziehbar gewesen, egal ob es Fahrzeug von VW oder auch Mercedes betraf!
6. Im April/Mai standen erste E-Klasse-Modelle in den Schauräumen. In den meisten Fahrzeugen war mindestens ein Verarbeitungsfehler erkennbar:
- Die Sitzlehne eines mit Nappaleder bezogenen und Belüftungstechnik ausgestatteten Fahrersitzes neigte zu knatschenden Geräuschen
- diverse Holzteile in den Innenräumen waren abgebrochen
- die Verkleidung des Sitzunterbaus war bei einem Modell abgerissen.
7. Im Juni fuhren wir einen E270CDI Elegance Probe. Gewisse Knistergeräusche bei Bodenwellen und eine im Dieseltakt vibrierende Deckenleuchte machten keine besondere Freude. Den in der Auto Motor und Sport beschriebenen "labilen Dachhimmel" besaß auch unser Vorführmodell. Möglicherweise unbegründete Systemfehler und andere Warnanzeigen im Cockpit sorgten für wenig Vertrauen in die Technik des Fahrzeugs.
8. Ebenfalls im Juni fuhren wir einen ML270CDI. Er zeigte ständig "zu wenig Öl" an. Bei der Prüfung des Ölfüllstands per Meßstab war am Vorführfahrzeug aber kein Fehler erkennbar.
9. Bei Kilometerstand 1460 erster Totalausfall unseres eigenen E320CDI
- schlimme Befürchtungen sind war geworden.
Weil sich für mich ein Puzzleteilchen ins andere fügt, möchte ich mit meiner Zuverlässigkeitsbenotung "Note 6.0" ein unübersehbares Zeichen setzen: im Vergleich zu Toyotas in ähnlichen Preisklassen ist das Zuverlässigkeits- und Qualitätsniveau inakzeptabel.
A propos Luxusgefühl
Es mag ja sein, daß ich mich bezüglich des von mir angesprochenen Luxus-Flairs im Hyundai XG30 geirrt habe. Bevor ich das erste mal in dem Auto saß, habe ich einfach nicht viel erwartet und war durchaus überrascht von einer gewissen Stilsicherheit in diesem Auto.
Wirklich umhauen tut mich die Materialauswahl in der E-Klasse nicht. Der Passat (und sein technisch grob verwandter Golf) und alle Audis ab Modell A4 verfügen über Materialien, die subjektiv höherwertiger erscheinen, zudem leisten sich diese Autos keine optischen Patzer wie das Hartplastikmaterial im vorderen Türanschlußbereich der Mercedes E-Klasse.
Daß auch Cockpits mit Kleinod-Avancen wie im Passat oder im Audi A4 miserabel verarbeitet sein können, zeigten die Störgeräusche in diversen aktuellen Fahrzeugen, die ich bisher gefahren bin.
Wenn im Cockpit mancher Austellungs-Mercedes' schon diverse Teile abgebrochen sind, und auch der sonstige Eindruck nicht Liebe auf den ersten Blick verspricht und dazu noch allerlei Personen im Bekanntenkreis von Klappergeräuschen auf VW-Niveau sprechen, dann kann ich keine Top-Bewertung vergeben!
Gerade weil die E-Klasse das teuerste Auto seiner Klasse ist und weil sie mit dem Image des heiligen Sterns auf Kundenfang geht, möchte ich auch hier ein Zeichen setzen und spreche von "unbefriedigendem Qualitätseindruck => Note 6.0".
Für weitere Fragen stehe ich gerne offen. Einen Roman wie diesen hier seht ihr aber nur zur einmal.
Viele Grüße, Euer Wolf Blank
PS: bei Gelegenheit werde ich ein Foto von dem schlechten Lack unseres Mercedes anhängen