Geschichte der Benzindirekteinspritzung - Teil 2

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Otfried

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Hallo,

wie angekündigt folgt hier nun Teil 2.

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Da die Typennummern der Fahrzeuge nicht chronologisch einen Sinn ergeben, möchte ich mit den W 196 Modellen beginnen.

Kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges liefen Versuche, die Motoren der Reihen ”K” {M 163} und ”L” {M 165} mit direkter Benzineinspritzung auszurüsten und in den Renneinsatz zu bringen, sowie versuche mit dem M 157 DE 60 L. Nach Ende des Krieges war jedoch an einen Renneinsatz in absehbarere Zeit nicht zu Denken. Es wurden Versuche mit W 136/IV und auf Benzindirekteinspritzung umgerüsteten M 136 III {den “M 136 DE 18”} unternommen, jedoch war die Treibstoffqualität und die Anforderung an Fahrzeuge in Deutschland so gering, das Einfachvergasermotoren genügten.

Im Juni 1951 beschloß der Vorstand von Daimler Benz, das an die Erfolge der Vorkriegszeit angeknüpft werden sollte. Für die gültige 1 ½ Liter Formel sollten 8 ”W 165/M 165 M” gebaut werden, jedoch zeigte sich, das sie in keiner Weise in den in der Formel 1 herrschenden Zweikampf Ferrari/Alfa Romeo eingreifen könnten, da ihnen mittlerweile ca. 200 PS an Leistung fehlten.

Als die FIA die Weltmeisterschaft der Jahre 1952/53 auf 2 Liter Formel 2 Wagen austragen ließ, hatte sich das Kapitel für Daimler Benz erübrigt und die Ingenieure gingen an das Projekt 2 ½ Liter Formel, welche ab 1954 gültig sein sollte.

Zur möglichen Motorisierung genehmigte die FIA bei freier Treibstoffwahl Saugmotoren bis 2.500 cm³ oder aufgeladene Motoren bis 750 cm³.

Der Rahmen des neuen Formel 1 Wagens entstand als eine Gitterrohrrahmenkonstruktion, welche sich stark an den Rennsportwagen W 194 anlehnte und ebenfalls als Basis für die spätern Rennsportversionen W 196 R und den in den Verkauf gehenden W 198/R 198 Straßensportwagen dienten.

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M 196.961

Daimler Benz entschied sich für den 2 ½ Liter Saugmotor und die Ingenieure rechneten die Möglichkeiten über Reihenvierzylinder/Reihensechszylinder bis hin zum V 12-60° Motoren durch. Die Wahl fiel auf einen geneigt eingebauten Reihenachtzylinder mit zentraler Kraftabnahme.
Daraus ergaben sich somit zwei robuste Vierzylinderblöcke. In klassischer Rennmotoren Bauweise wurde dieser Motor mit 2 obenliegenden Nockenwellen ausgerüstet – über Stirnzahnräder angetrieben. Die Zylinder erhielten 4 Ventile mit einer zentralen Zündkerze.

Die Gemischaufbereitung war das Problem!

Die italienischen Hersteller, zu jener Zeit führend im Rennmotorenbau, schworen auf ihre Weber-Doppelvergaser {oder wie Lancia auf die stehenden Solex-Vergaser}. Jedoch gab es Schwierigkeiten mit der spontanen Gasannahme und der Gemischsteuerung über das gesamte Drehzahlband.
Nach den Erfahrungen mit der M 74 Bauserie entschloss man sich bei Daimler-Benz in Verbindung mit Bosch jedoch zu einem im Rennmotorenbau neuen Weg.

Der M 196 DE 25 genannte Motor wurde mit einer direkten Bosch Kraftstoffeinspritzung ausgerüstet. Bosch und Daimler-Benz hatten mit dieser Technologie viel Erfahrung an den Motoren der Baureihe M 74 sammeln können, welche in sehr großen Stückzahlen in den Jahren 1935 – 1945 produziert worden waren.
Um die hohen Drehzahlen, welche für die hohen PS Zahlen des Saugmotors nötig sein würden, zu gewährleisten, gab es Probleme mit einer sicheren Ventilsteuerung. Ingenieur Hans Gassmann erinnerte sich an den Grand Prix Delage “S” von 1914, welche eine desmotronischen Ventilsteuerung besaß. Daraufhin wurde auch für den M 196 DE 25 eine solche entwickelt. Die Ventile wurden also nicht nur von der Nockenwelle geöffnet, sonder auch wieder von dieser geschlossen. Im Laufe seines Grand Prix Einsatzes 1954 und 1955 wurde der Motor ständig verbessert, es wurden verschiedene Nockenwellen für Drehmoment oder Drehzahl entwickelt. Als ”sichere Motordrehzahl” wurden 9.000 U/min angesehen, jedoch drehten die Motoren im Renneinsatz oftmals 9.300 – 9.800 U/min.
Je nach Motoreinstellung und verwendetem Treibstoffgemisch leistete der M 196 DE 25 zwischen 257 PS/8.250 U/min {Reims 1954} bis 290 PS/8.500 U/min, welche ab Mitte 1954 als Standardleistung angesehen werden konnten.

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W 196 Stromlinien - Monoposto

Daimler Benz setzte die Fahrzeuge mit Vollstromlinienverkleidung, als auch als Monoposto mit freistehenden Rädern, ein.
 
1954 nahmen die Fahrzeuge an den Weltmeisterschaftsläufen der Formel 1 bei 6 Rennen {insgesamt 9 Wertungsläufe} Teil, wobei ihr Debüt am 4. Juli 1954 bei Grand Prix d’France in Reims für aufsehen sorgte, da es sich um Stromlinien - Monoposto handelte und Daimler Benz den Weltmeister Juan Manuel Fangio als Spitzenfahrer gewählt hatte, welcher den neuen W 196 auch sofort zu einem Sieg steuerte, gefolgt von Karl Kling auf Platz 2. Zudem hatte der neue W 196 auch die schnellste Rennrunde absolviert.

Bei den anderen Wertungsläufen sahen die Ergebnisse jedoch nicht so Erfolgversprechend aus. Beim British Grand Prix in Silverstone beklagten die Daimler Benz Fahrer die Unübersichtlichkeit der Karosserie in Kurven – es siegte José Froilán Gonzáles auf einem Ferrari 625 vor seinem Teamkollegen Mike Hawthorn und dem Maserati 250 F von Onofre Marimón. Mit einer Runde Rückstand wurde Juan Manuel Fangio vierter, der zweite Mercedes im Zieleinlauf, Karl Kling hatte 3 Runden Rückstand {Platz 7}.

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W 196 Monoposto

Auf dem Nürburgring 2 Wochen später starte Daimler Benz mit 3 Monoposto mit freistehenden Rädern und einem Stromlinienwagen mit Hans Herrmann am Steuer. Hier siegte Fangio vor 2 Ferrari, doch auch schnellste Rennrunde ging wieder an den W 196.
Am 22. August gelang es nur Gonzáles, einen ”Ferrari 625” auf dem zweiten Platz zwischen vier Mercedes auf dem Bremgarten-Rundkurs von Bern ins Ziel zu bringen. Auf dem Kopfsteinpflaster fuhr Juan Manuel Fangio mit 164.107 km/h erneut die schnellste Rennrunde.

Am 5. September standen auf dem Hochgeschwindigkeitskurs im königlichen Park von Monza mit seinen Steilkurven http://mitglied.lycos.de/oschneider/MONZA_STEILKURVE.JPG wieder die Stromlinien-Monoposto am Start. Es siegte Juan Manuel Fangio, dessen schnellste Runde bei 180.216 km/h gelegen hatte. Ferrari setzte erstmals den “554 Squalo” ein, mit welchem Jose Froilán González vor seinem Ausfall mit 187.748 km/h die schnellste Rennrunde fuhr.

Die erste wirklich Niederlage mußte der W 196 in Barcelona beim spanischen Grand Prix in Barcelona einstecken. Im Regen steuerte der bis dahin unbekannte Ferrari Nachwuchsfahrer Mike Hawthorn ein der unhandlichen ”554 Squalo” ungehindert zum Sieg. Platz 2 belegte ein Maserati 250 F. Fangio erreichte das Ziel mit einer Runde Rückstand als Dritter.
Dieses Rennen brachte auch den ersten Start des geheimnisumwitterten Lancia D 50, der von dem Doppelweltmeister Alberto Ascari und Luigi Villoresi gefahren wurde.

Die Formel 1 Saison 1954 sah in der Schlußwertung wie folgt aus:

Weltmeister: Juan Manuel Fangio - 42 Punkte
Fahrzeug: Mercedes W 196 {+ Maserati 250 F}

2.Platz: José Froilán González – 25 1/7 Punkte
Fahrzeug: Ferrari ”625”

3. Platz: Mike Hawthorn – 24 9/14 Punkte
Fahrzeug: Ferrari ”625”

{Theoretischer Konstrukteurspokal: Ferrari 625 & 554 Squalo: 87 Punkte; Mercedes W 196: 60 ½ Punkte; Maserati 250 F: 47 Punkte}

1955 liefen die Fahrzeuge bei allen 6 Weltmeisterschaftsläufen und erzielten 5 Siege.
Die Saison brachte Daimler Benz nur beim Grand Prix die Monaco in Monte Carlo eine Niederlage.
In Monaco setzte Ferrari “625” Chassis mit ”Super Squalo” Motoren ein. Mit einem solchen Wagen errang der Monegasse Maurice Trintignant ungehindert den Sieg, der bestplatzierte W 196 war der wagen von Stirling Moss – auf Platz 9! Beim gleichen Rennen schoß der Lancia “D 50” von Alberto Ascari in der Hafenschikane in das Hafenbecken. Der Fahrer überlebte den Unfall.

Die andern Weltmeisterschaftläufe zeigten jedoch deutlich die Überlegenheit des nun 290 PS starken W 196. Schnellste Rund und Sieg für Fangio am 16. Januar in Argentinien, Doppelsieg Fangio vor Moss am 5 Juni auf der Achterbahn von Spa-Francochamps. In Holland am 19. Juni das selbe Bild.
Am 16. Juli 1955 beim British Grand Prix dann die absolute Überlegenheit: Vierfachsieg: Moss/Fangio/Kling/Taruffi. Ein seltsames Rennen – Fangio führte bis in die letzte Kurve, wo er plötzlich kurz langsamer wurde und Stirling Moss an ihm vorbeizog und mit 2/10 Sekunden siegte....
In seinen Memoiren schreibt Stirling Moss: - {frei übersetzt} – “Auf die Frage, ob er absichtlich bremste lächelte er nur und sagte “Ich habe mich verschaltet”, doch ich wußte das er wußte was mir dieser Sieg bedeutete””. Die Saison beendeten die W 196 mit einem Doppelsieg {Fangio/Taruffi} in Monza, Stirling Moss war mit Motorschaden ausgefallen.

Die Formel 1 Saison 1955 sah in der Schlußwertung wie folgt aus:

Weltmeister: Juan Manuel Fangio - 40 Punkte
Fahrzeug: Mercedes W 196

2.Platz: Stirling Moss - 23 Punkte
Fahrzeug: Mercedes W 196

3. Platz: Eugenio Castellotti - 12 Punkte
Fahrzeug: Lancia D 50 + Ferrari 555 Super Squalo + ”625”

{Theoretischer Konstrukteurspokal: Mercedes W 196: 80 Punkte; Ferrari Typen 555 Super Squalo & 625 F 1 & Lancia-Ferrari D 50: 35 ½ Punkte; Maserati: 23 Punkte}

Am 12. September 1955 erklärte der Vorstand von Daimler Benz den Rücktritt der Firma vom Motorsport. Auf dem Werksgelände in Stuttgart-Untertürkheim wurden die Rennwagen von Rennleiter Alfred Neubauer mit Tüchern verhängt.

Es sollte 40 Jahre dauern, bis ”Daimler Benz” Motoren wieder einen Formel 1 Wagen antrieben.

Weiter: Geschichte der Benzindirekteinspritzung - Teil 3
 
Hallo,

den „Ruhm“, welchen der W 196 auf den Rennstrecken gesammelt hatte, nutze ein schwäbischer Hersteller für seine Modellrennbahn. Die relativ aufwendig gefertigten Modelle, unter anderem mit spurgelenkten Vorderrädern waren jedoch nicht so erfolgreich wie die bekannten „Carrera“ Bahnen und wurden zu Anfang der siebziger Jahre eingestellt.

http://mitglied.lycos.de/otfriedschneider/M1401.JPG

Heute besonders gesucht und selten hingegen ist nicht der W 196, sondern der „555 Super Squalo“. Märklin war der einzige Hersteller, welcher ein Model jenes sehr seltenen Formel Wagens fertigte.

einen schönen Feiertag wünscht

Otfried
http://mitglied.lycos.de/otfriedschneider/O26122004.jpg
 
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