Zum Thema "Bullenfänger"-Verbot hier ein Artikel, den ich - als passionierte Geländewagenfan - mal in der
Off-Road gefunden hab:
Geplantes Verbot von Frontschutzbügel
EIN HARTER SCHLAG
Wenn man der Bundesregierung glaubt, sind alle Frontschutzbügel gefährlich und gehören verboten. Nachgiebige Systeme könnten dem Verbot ebenfalls zum Opfer fallen - zum Nachteil der Fußgänger
Text: Gerhard Bieber
Fotos: OFF ROAD Archiv, Dekra, GDV
Klaus Haupt mag keine Frontschutzbügel. Der Leiter der „Kinderkommission" im Deutschen Bundestag Sagt: „Es ist dringend notwendig, diesen lebensgefährlichen Schwachsinn abzustellen." Der FDP-Abgeordnete setzt sich schon seit längerem für ein Verbot so genannter „bullbars" ein und wird nicht müde, diese Forderung an die Öffentlichkeit zu tragen. Fraktionsübergreifend stimmt auch Monika Ganseforth (SPD) mit ein: „Kuhfänger haben in Europa nichts zu suchen, ich habe kein Verständnis für solch sinnlosen Schnickschnack.“
Die Diskussion um die Frontschutzbügel ist keineswegs neu, doch erhält sie durch einen Verordnungsentwurf des Verkehrsministeriums neue Brisanz. Geht es nach dem Minister Klaus Bodewig, so soll noch dieses Jahr in der Zulassungsordnung (§ 30c StVZO) zu lesen sein: „Kraftfahrzeuge dürfen nicht mit Frontschutzbügeln (...) aus Metall oder anderen starren Materialien ausgerüstet sein.“ „Angesichts des wachsenden Drucks aus der Öffentlichkeit sowie von Politikern“ hat sich das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) entschlossen, „als Zwischenlösung ein Verbot starrer Frontschutzbügel in die Zulassungsordnung (StVZO) aufzunehmen“. Zwischenlösung, weil eine europaweite Richtlinie für Frontschutzbügel noch auf sich warten lässt. Die seit 1. Januar 2002 eingeführte Selbstverpflichtung der europäischen Automobilhersteller und Importeure, für Fahrzeuge bis 2,5 Tonnen keine Bügel mehr anzubieten, geht dem BMVBW nicht weit genug. Deshalb soll das Verkaufen von Bügeln nun allen - ob Auto- oder Zubehörhersteller - verboten werden.
Stahlbügel, wie sie im Outback oder im Busch, aber auch im inländischen Gelände nötig sind, um das Fahrzeug vor Beschädigungen zu schützen, sind Ende der Achtziger groß in Mode gekommen. Egal, ob Suzuki Samurai oder Mitsubishi Pajero, jeder zweite Offroader war mit einem massiven Frontschutz unterwegs.
Im Gelände schützen Bügel durchaus, im Straßenverkehr sollen sie jedoch für andere Verkehrsteilnehmer - insbesondere für Kinder - eine Gefahr darstellen. Dies ergab eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und der Medizinischen Hochschule Hannover. Ihr zufolge werden Verletzungen, die ein Kopfaufprall auf einen 40 km/h schnellen Pkw zur Folge hat, bei Geländewagen schon ab Geschwindigkeiten von 30 km/h registriert. Ist der Geländewagen mit einem starren Metall-Frontbügel ausgestattet, können sie schon bei 20 km/h auftreten. Ähnlich sollen auch die Werte bei Unfällen mit Schädigung von Oberschenkel und Becken sein: Hier entsprechen 40 km/h eines Pkw 25 km/h eines Geländewagens mit starrem Frontbügel. Hohe Beschleunigungs- und Scherkräfte wirken auf den Körper und diese können Brüche, Milzverletzungen oder Einrisse der Brustschlagader verursachen.
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Bis europäische Richtlinien zur Konstruktion fußgängerfreundlicher Frontschutzbügel in ein bis zwei Jahren greifen, sollen nun erst einmal alle Bügelsysteme deutschlandweit prophylaktisch verboten werden. „Überhastetes Vorgehen“, kritisiert Josef Loder, Geschäftsführer des Zubehörherstellers delta 4x4. Loder weiter: „So lange es keine Richtlinien für sichere Frontschutzbügel gibt, wissen wir ja nicht, worauf wir bei der Entwicklung achten sollen. Es macht doch keinen Sinn, zunächst alle Frontbügel bei uns zu verbieten, um erst später europaweite Richtlinien zu schaffen, die bestimmen, was sicher ist und was nicht.“
In den letzten Monaten hat der Verband der Geländewagenzubehör-Hersteller (VGH), dem auch Loder angehört, einen Energie absorbierenden Frontschutzbügel entwickelt, der die besonders verletzungsträchtigen Fahrzeugfronten von Geländewagen entschärfen kann. Testreihen mit einem Mitsubishi Pajero Pinin haben bewiesen, dass ein Fahrzeug, das mit diesem Bügel ausgestattet ist, in der Tat weniger Schaden anrichtet als das Serienfahrzeug ohne Bügel (siehe Kasten). Auch die Bundesanstalt für Straßenwesen hat 1996 drei Frontschutzbügel, unter anderem aus Silikonummanteltem Phenolharz, vorgestellt, welche die Belastungswerte bei einem Zusammenprall mit Personen um 20 bis 70 Prozent reduzieren.
Sicherheit und Frontschutzbügel schließen sich nicht gegenseitig aus. Eberhard Faerber vom Referat Passive Fahrzeugsicherheit und Biomechanik der BASt leitete diese Entwicklung und bestätigt: „Frontschutzbügel sind nicht das Übel, es sind die starren Systeme. Frontschutzbügel kann man auch so bauen, dass sie für Fußgänger sicher sind und dennoch ihren Zweck erfüllen.“ Deshalb favorisieren auch die Technischen Überwachungs-Vereine (TÜV) eine weniger radikale Lösung als ein generelles Bügelverbot. Wie aus TÜV-Kreisen verlautet, setze man sich dort für eine Regelung ein, nach der alle Frontschutzbügel, gleich aus welchem Material, zulässig wären, die die Crash-Eigenschaften der Fahrzeugfront nicht negativ beeinflussen.
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Diese Maxime haben sich auch die Automobilhersteller auf die Fahnen geschrieben.
Bei Mercedes, dem größten deutschen Geländewagenhersteller, wird derzeit eine Frontbügel-Serie aus Kunststoff entwickelt. Dr. Rodolfo Schöneburg, Leiter der Sicherheitsentwicklung bei Mercedes-Benz, zu OFF ROAD: „Erste Versuchsreihen zeigen vielversprechende Testergebnisse, die im Einzelfall besser sein können als ohne Bügel.“
Die Entwicklung des fußgängerfreundlichen Systems läuft bei Mercedes auf Hochtouren, weil „der Anteil der verkauften Bügel zeigt, dass in unserem Kundenkreis durchaus ein Bedarf für Frontschutzbügel besteht“. Vergangenes Jahr wurde jedes zehnte Auto der Mercedes M-Klasse bereits werksseitig mit
einem Frontschutzbügel ausgestattet. Neben der Optik gibt es weitere Gründe, die für einen Frontbügel sprechen. Für bestimmte Berufsgruppen wie Forst- und Baubetriebe ist er notwendig, denn hier übernimmt er die Funktion eines Aggregatträgers zur Montage von Winden oder anderen Anbauteilen. Ein Unfall, bei dem ein Fußgänger größeren Schaden erlitten hätte, als es ohne Schutzbügel der Fall gewesen wäre, ist den Sicherheitsentwicklern bei Mercedes nicht bekannt. Dr. Schöneburg: „Grundsätzlich können alle äußeren Fahrzeugbauteile Verletzungen hervorrufen. Die Frage ist jedoch immer, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass genau ein bestimmtes Bauteil in einer bestimmten Unfallkonstellation getroffen wird.“
Konkrete Unfallzahlen in Zusammenhang mit Bügeln hat auch Dipl.-Ing. Faerber von der BASt nicht. Er muss sich, weil nirgendwo erfasst ist, ob Geländewagen und gar solche mit Bügeln in Unfälle verwickelt sind, auf Hochrechnungen stützen. Demnach wurde zum Beispiel im Jahr 1999 möglicherweise ein Kind bei einem Bügelunfall getötet, 49 wurden schwer verletzt und 104 leicht. Wohlgemerkt: Diese Zahlen sind rein statistisch - durch kein einziges konkretes Beispiel belegt. Und dennoch, Mercedes bietet seit Januar 2002 keine starren Frontbügel mehr an, weder für Fahrzeuge bis 2,5 Tonnen, wie es die freiwillige Selbstverpflichtung der Automobilhersteller festlegt, noch für Fahrzeuge darüber. So empfiehlt es - zum Fußgängerschutz - der Verband der Automobilindustrie (VDA) seinen Mitgliedern. Bei Toyota Deutschland gibt es schon seit drei Jahren einen nachgiebigen Frontbügel. Bisher war die Nachfrage allerdings nicht gerade berauschend. Seit Januar verzeichnet man eine leicht erhöhte Nachfrage nach dem Frontschutz aus Polyurethan, denn seit Januar montiert auch Toyota keine starren Systeme mehr.
In einem Punkt sind sich aber die BASt, der VGH, die Medizinische Hochschule Hannover, der TÜV und auch der Bügel-Ächter Klaus Haupt einig: Ein Energie absorbierender Frontschutzbügel, der einen Unfallgegner schützt, ist besser als eine aggressive Fahrzeugfront ohne diesen Bügel. Das jedoch scheint sich noch nicht bis zu Verkehrsminister Bodewig durchgesprochen zu haben. Denn sein Gesetzesentwurf verbietet genau diese Form des Fußgängerschutzes. Weshalb? Das weiß keiner. Eine mögliche Erklärung kennt BASt-Mann Faerber: „Es könnte sich um eine schlampige Übersetzung handeln.“ Die englisch sprachige Empfehlung für eine europaweite Richtlinie fordert nämlich bloß eine Entschärfung starrer Frontschutzbügel, nicht aber das generelle Verbot von Frontbügeln aus Metall.
In diesem Sinne
CU @all
Krümel