Ich bin erstaunt, wie negativ meine ganz persönlichen Erlebnisse mit dem W212 hier aufgefasst worden sind. Dabei provoziere ich eher ungern. ;-)
Der Opel-Vergleich war eigentlich positiv gemeint: hat doch der Insignia einen der angenehmsten und aufgeräumtesten Innenräume moderner Autos. Beim W212 mißfällt mir die Qualitätsanmutung. Das grundlegende Design geht in die richtige Richtung, allerdings gibt es Detaillösungen, die mich erzittern lassen. Warum lassen sich die Armablegemöglichkeiten auf der Mittelkonsole nicht öffnen oder in ihrer Höhe verändern (zumal es offenbar zwei davon gibt)? Warum gibt es den Wählhebel der Automatic mal am Lenkrad und mal auf der Mittelkonsole? Warum bewegt sich der Schiebedachschalter beim Schließen des Daches nach "unten hinten" und nicht einfach nach hinten? Ist dieses komische Plastikimitat auf dem Armaturenbrett jetzt Standard, oder gibt es noch eine Ausnahmen? Mittlerweile fehlt mir da, leider, der Überblick.
Mein gefahrenes Exemplar des W212 war offensichtlich schlecht verarbeitet: bei ausgeschaltetem Radio gab es Knick-, Knack- und Knarzgeräusche aus dem Dachhimmel, der Mittelkonsole, den Türverkleidungen und es gab das schon beschriebene Rollen irgendwelcher runden Gegenstände aus dem Bereich hinter dem Fahrersitz. Ich konnte die Ursache bis zur Rückgabe des Wagens nicht mehr lokalisieren.
Das Geräusch des Motors war mehr als enttäuschend. Kein Pfeifen irgendwelcher Turbolader, kein "ansprechendes Verbrennungsgeräusch" (so schrieb mal jemand in irgendeiner Kritik), sondern unkultiviertes Gehämmer von einem Vierzylinder in jeglichen Lebenslagen. Im letzten Jahr hatte ich mal für zwei Wochen ein E220 CDI T-Modell für meinen Umzug zur Verfügung: der war in vielen Disziplinen diesem "Ding" überlegen. Vor allem das Kapitel "Geräusche" konnte uneinholbar gewonnen werden.
Durchzug und Endgeschwindigkeit scheinen ja in Ordnung, allerdings trübt ein Verbrauch von mehr als zehn Litern den Gesamteindruck. Da fährt jeder BMW 730d, bei gleicher artgerechter Haltung, sparsamer. Vom 530d und, vor allem, dem 330d, nicht zu sprechen.
Nach acht Monaten Abstinenz, war dieser E250 CDI der erste "moderne" Wagen, den ich bewegte. Ein Quantensprung, egal, in welche Richtung, konnte ich nicht feststellen. Wäre ich mit verbundenen Augen und ohne weitere Infos in dieses "Ding" eingestiegen, ich hätte mich zurechtgefunden. Aber ein "Mercedes" sollte mehr als das bieten. "Willkommen zu Hause."
Der W221 bietet das. Der W219 ebenfalls. Im W216 stellt sich dieses Gefühl gleichfalls ein.
Aber allein die Qualitätsanmutung der Armaturenbrettbezüge von W169, W245, W204 und W212 spricht da eine völlig andere Sprache. Haptik ist zwar nicht alles, aber durch nichts zu ersetzen.
Dieses "Ding" war mit allen Kleinigkeiten ausgestattet: das Ambientelicht war nett anzusehen, das ILS phänomenal, die Sitzheizung bei diesen Temperaturen überflüssig, das Spiegelanklappen im Stand affig, die Einparkhilfe im Dachhimmel heillos überholt und die Aussicht aus den EU-genormten Außenspiegeln aufgrund der merkwürdigen Silhouette ungewohnt.
Das Außendesign ist Geschmacksache.
Den W221, in der Vor-Facelift-Version, halte ich für zeitlos. Das außerordentlich dominante Design, betont durch die ausgestellten Radhäuser, die dreigeteilten Rückleuchten und die schiere Größe ist mutig, unangefochten und über jeden Zweifel erhaben.
Der W204 macht den W203 komplett ungeschehen. Es gibt dieses schöne Ratespiel: "Wer passt hier nicht hin?" Und nun stellt euch folgende Reihe vor: W201, W202, W203 und W204. Die Frage lautet: "Wer passt hier nicht hin?" Es gab mal eine Werbung eines großen Autovermieters: abgebildet war ein Frontscheinwerfer des W203 mit dem Text "Peanuts." Außerordentlich passend.
Der W211 war die logische Weiterentwicklung vom W210. Etwas geschmeidiger in der Erscheinung, etwas großflächiger im Rückleuchtendesign, ein leicht chinesischer Einschlag des Vier-Augen-Gesichts und die Qualitätsanmutung wurde gesteigert. Die Fahreigenschaften ließen, aus meiner Sicht, wenig zu Wünschen übrig. Außer den AMG-Modellen bin ich alle W211 ausgiebig gefahren: so unwohl wie in den schnell gefahrenen Autobahnausfahrten habe ich mich nie gefühlt.
Der W212 ist nicht die logische Weiterentwicklung des W211. Er übernimmt die kantige Linie vom W und X204, behält ein Vier-Augen-Gesicht nach Lexus-Art, um die Familienzugehörigkeit zu unterstreichen und glänzt mit nochmals vergrößerten Rückleuchten. Die Seitenansicht offenbart irgendwelche Lichtkanten, wahllos herbeigeredete Reminiszenzen an längst vergangene Modelle und hinterlässt einen eher unaufgeräumten Eindruck. Wie Lichtkanten wirklich funktionieren, zeigt der noch aktuelle BMW 5er.
Die Schokoladenseite des W212: das Heck. Niemand wird mir zustimmen, aber das Heck wird als eines der zeitlosesten Designs moderner Autos in die Geschichte eingehen. Aus jeder Sicht (direkt von hinten, 45 Grad versetzt oder aus der Seitenansicht) sind zu jeder Zeit 100 Prozent der Rückleuchten sichtbar: das ist noch besser gelöst als beim W204.
Bezeichnet mich als kleinwüchsig, als Nostalgiker oder als Umweltsau: ich habe gute Gründe, warum mir "diese Art" von Autos nicht gefällt. Die grundlegende Idee ist vielversprechend, die tatsächliche Umsetzung dieser Idee allerdings verbesserungswürdig.
Fotos meines frisch polierten 200D folgen!
Beste Grüße in die N8,
Christian.